Bei Taurus-Lieferung: Einsatzfähigkeit der deutschen Streitkräfte stünde auf dem Spiel
Nachdem der dritte Unions-Antrag zur Taurus-Lieferung an Kiew im Bundestag gescheitert war, enthüllte eine t-Online-Recherche, dass Berlin vor allem aus sicherheits- und technischen Gründen keine Taurus an die Ukraine liefern kann. Dabei geht es um als geheim eingestufte Informationen, die ausgewählten Abgeordneten des Bundestags nun erstmals zugänglich gemacht wurden. Entscheidendes passierte laut t-Online-Informationen in der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses am Dienstag, in der erstmals sensible Details über den Marschflugkörper mit einigen Abgeordneten eines Fachausschusses des Bundestags geteilt wurden.
Dass die Zielprogrammierung der Taurus-Waffen kompliziert ist, war bereits bekannt. Die "zentrale Missionsplanung" (ZMP), das technische und operative Verfahren der Zieleingabe und Routenführung, besteht aus zahlreichen unterschiedlichen Quelldaten wie Höhenmesspunkten, Vektordaten, Satellitenbildern und Rasterkarten, um dem Taurus eine möglichst präzise Flugroute zu ermöglichen. Das ZMP-System wurde von der deutschen Firma ESG entwickelt, die Ende 2023 in der Rüstungselektronikfirma Hensoldt aufging.
Es handelt sich dabei aber nicht um Giga- oder Terabyte, sondern um "extrem hohe und komplexe Datenmengen", die offenbar von speziellen technischen Systemen aufbereitet werden müssen. Diese technischen Anlagen allerdings gebe es nur in begrenztem Maße, heißt es. Würden diese bei einer Taurus-Lieferung ebenfalls an die Ukraine transferiert, stünden sie der Bundeswehr nicht mehr zur Verfügung. Eine Fähigkeitslücke entstünde, die die "Einsatzfähigkeit der deutschen Streitkräfte" empfindlich beeinträchtigen würde, so eine mit der Angelegenheit vertraute Person.
Um welche Art von Anlagen es sich handeln soll, bleibt unklar. Weder der Taurus-Hersteller MBDA noch das Bundesverteidigungsministerium möchten sich auf Anfrage dazu äußern. Auch in welcher Stückzahl diese Anlagen vorhanden sind, wie lange es dauert, diese zu ersetzen, und warum sie so schwer nachzubeschaffen sind, ist fraglich. Es handele sich um eine "technische Engstelle", die für eine lange Zeit nicht ersetzt werden könne, so eine mit der Angelegenheit vertraute Person. "Wenn wir diese Fähigkeit liefern, dann gibt es sie für uns nicht mehr." Die Situation sei nicht vergleichbar mit der Abgabe etwa der 18 Leopard-2-Panzer an die Ukraine, auf deren Ersatz das Heer bis 2026 warten muss. "Die Taurus gehören zu unseren wirkmächtigsten Waffen im Luft-Boden-Bereich, die nahezu an strategische Fähigkeiten heranreichen."
Hinweise auf die komplexe Missionsplanung wie auch auf den unterschiedlichen Einsatz des Taurus lassen sich auch in dem geleakten Gespräch zwischen hochrangigen Offizieren der Luftwaffe finden. Ein Oberstleutnant spricht etwa von "Zieldaten, die idealerweise mit Satellitenbildern kommen", weil damit die höchste Präzision, nämlich unterhalb von drei Metern, erreicht werden könne.
Die neuen Informationen können vor diesem Hintergrund die Kalkulation des Kanzlers besser beleuchten, warum er auf seinem Veto bestehe, kommentierte t-Online. Etwa wenn es um ein Worst-Case-Szenario geht: "Gibt Scholz einen Teil der Taurus samt technischer Anlagen an die Ukraine ab und verliert diese den Krieg, könnte Russland in der Westukraine an der NATO-Grenze stehen, während Deutschland eine militärische Kernfähigkeit abgegeben hat. Es sei eine "Lose-lose"-Situation", hieß es bei t-Online.
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